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(99) Willkommen in Galicien

  • Frank Derricks
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Sonntag, 20. Mai 2018: Ambasmestas – O Cebreiro (14,2 km)

Hermine hat die erste Nacht in einer echten Herberge verbracht und gut geschlafen wie auch ich. Wir waren nur zu viert im Raum und gegen halb acht frühstücken alle gemeinsam mit Sabine und Ulli. Das Frühstück ist klasse und sehr reichhaltig und lecker, verglichen mit dem, was in Spanien sonst so um diese Zeit serviert wird. Heute machen wir endlich wieder ein Gruppenfoto mit „Herbergseltern“. Danke für die herzliche Aufnahme im „Das Animas“.

Auf den ersten circa sieben Kilometern geht es nur minimal bergauf. Die Sonne gibt wieder ihr Bestes. Ich laufe auch heute wieder direkt in meinen kurzen Hosen und im T-Shirt aus Logroño. Unterwegs begegnen wir einem merkwürdigen Vehikel, das von der größeren Hälfte der Bremer Stadtmusikanten gezogen wird. Wir laufen weiter durch das Tal ers Valcarce, welches immer wieder von hohen und nicht gerade schönen Brücken überspannt wird. Nach einer Pause in Las Herrerías nehme ich noch einen liegengebliebenen Strohhut mit; der Träger wird ihn sicher bereits vermissen.

Bald danach geht es steil nach oben. Um zwölf Uhr erreichen wir La Faba. Die von deutschen Hospitalieros geführte, schwäbische Herberge befindet sich direkt neben der Kirche. Gemäß der Hausordnung entfällt die Übernachtungsgebühr in dieser Herberge „für all die Pilger, die über die Gabe verfügen, das Gedicht eines Dichters (Uhland, Mörike, Schiller oder andere) zu rezitieren“ beziehungsweise entsprechend „aus dem Lied eines schwäbischen Komponisten (Silcher oder andere) vorzusingen“. Nach der Fotosession mit unserem neuen Pilgerfreund laufen wir weiter auf teilweise steinigen Wegen nach Laguna de Castilla, dem letzten Dorf vor der Grenze nach Galicien.

Wir staunen nicht schlecht, als wir auf dem Weg Theresa und Jean-Marc mit Ihren Kindern Maxim (drei Jahre) und Leonore-Mathilde (sechs Wochen) treffen. Die beiden sind im letzten Jahr mit ihrem Sohn bis Ponferrada gelaufen und dort wieder eingestiegen. Sie ziehen den Handwagen mit der Ausrüstung über die teilweise sehr beschwerlichen Wege hinter sich her und tragen die Kleinen auf dem Rücken bzw. vor der Brust. Es macht Freude, dieses glückliche Paar zu sehen und ist wieder ein Beweis dafür, dass vieles geht, wenn man nur will. Hut ab vor dieser Familie!

Wir erreichen den berühmten Grenzstein und wenig später auch das erste galizische Dorf O Cebreiro. Hier habe ich in einer Pension reserviert und beziehen ein kleines Zimmer mit eigenem, aber winzigem Bad. Am Nachmittag betrachten wir das touristische und geschäftige Treiben in diesem alten und für den Jakobsweg wichtigen Ort. Hier befand sich früher eines der wichtigsten Pilgerhospitäler. Neben der Kirche findet man die Büste von Don Elías Valiña Sampedro, der sich ab 1984 der Markierung des Camino Francés widmete und als Erfinder des gelben Pfeils gilt. Der frühere Pfarrer des Ortes ist in der Kirche beigesetzt. Hier stehen Bibeln in fast fünfzig Sprachen dieser Erde zur Verfügung.

Wir besuchen die Pilgermesse um 19:30 Uhr und erleben eine sehr emotionale Messe. Der Pfarrer hält sie auf spanisch, aber eine Bibelpassage wird von Pilgern auch auf Portugiesisch, Englisch, Polnisch, Italienisch, Deutsch, Französisch und Dänisch vorgelesen. Später versammeln sich alle Pilger um den Altar, und der Pilgersegen wird wieder von den Pilgern in verschiedenen Sprachen verlesen. Hermine liest deutsch. Es ist sehr ergreifend. Der Geistliche nimmt sich die Zeit, um jeden einzeln zu umarmen und alles Gute für den Weg zu wünschen. Danke an Dieter aus Dresden für das Foto aus der Kirche. Am Abend gehe ich nochmals nach draußen, um den Sonnenuntergang über den galizischen Bergen festzuhalten. Danke für diesen wundervollen Tag!