(98) Camino duro

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
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Samstag, 19. Mai 2018: Cacabelos – Ambasmestas (26,7 km)

Nach einem eher bescheidenen Frühstück geben wir am Empfang den Rucksack von Hermine ab und laufen durch das Dorf, statten der geöffneten Kirche einen Besuch ab und überqueren den Río Cúa. Um die Kirche des „Santuario de Quinta Angustia“ herum gibt es eine außergewöhnliche Herberge: Die Schlafplätze sind in Zweierzimmern um eine Kirche herum gebaut und kosten pro Pilger fünf Euro. Zum Duschen oder auf die Toilette geht es über den Kirchhof. Wenn es nachts nicht zu kalt wird, ist das hier sicher eine urige Unterkunft.

Auf der Straße geht es leicht bergauf, und nach Pieros biegt eine Variante des Weges nach rechts auf einen Feldweg ab. Über Valtuille de Arriba laufen wir, wie in den vergangenen Tagen auch, bei herrlichem Wetter durch Weinberge nach Villafranca del Bierzo. Am Ortseingang des kleinen Städtchens befindet sich auf der linken Seite die „Iglesia de Santiago de Villafranca“. Seit dem 17. Jahrhundert erhielten kranke und schwache Pilger, die in Heiligen Jahren (der Jakobustag am 25. Juli fällt auf einen Sonntag) nach Durchschreiten des Nordportals den gleichen Ablass wie am Grab des heiligen Jakobus in Santiago de Compostela.

Wir merken bald, warum es einigen Menschen schlicht nicht möglich war, weiterzulaufen: Der sogenannte „Camino duro“, der harte Weg, führt extrem steil nach oben. Aber die Ausblicke und die Einsamkeit in dieser herrlichen Landschaft entschädigen für die Mühen. Auf zehn Kilometern bewältigen wir bei 25 Grad im Schatten circa 500 Höhenmeter im Auf- und 400 Meter im Abstieg. Minchens Knie zittern, und ich bin froh, dass wir morgen zwar wieder einen steilen Aufstieg, aber nur eine Etappe von 15 Kilometern vor uns haben. Es war heute tatsächlich ein harter Weg, nicht nur für sie.

In Ambasmestas hat sie das erfrischende Fußbad in der Varcarce wirklich mehr als verdient und genießt es sichtlich, Ihre Füße im frischen Nass des Gebirgsflusses zu kühlen. Wir übernachten hier in einer Herberge, die sehr liebevoll von Sabine und Ulli betrieben wird. Die beiden haben es sich zur Aufgabe gemacht, hier in der Herberge „Das Animas“ die Pilger zu betreuen und bieten zwei Schlafräume mit fünf Einzel- beziehungsweise sechs Etagenbetten. Ulli kocht sehr gut, heute gibt es handgemachte Spätzle mit hausgemachter Sauce Bolognese.

Hermine ist bei Sonnenuntergang im Bettchen, um für den morgigen Aufstieg Kräfte zu sammeln. Ich unterhalte uns noch bis 23 Uhr mit Sandra aus dem Schwäbischen – auf dem Camino trifft man immer wieder Menschen, zu denen man im normalen Leben daheim kaum Kontakt finden würde. Zuhause leben viele Menschen in ihrer eigenen, sehr begrenzten Welt. Hier kommen alle zusammen und tauchen in die Welt des Jakobsweges ein. Alle, die aus ihrem kleinen Rucksack leben und nur das dabeihaben, was sie selber tragen können, haben fast jeden Tag dieselben Klamotten an. Kleidung oder Äußerliches sind hier kein Abgrenzungsmerkmal, sondern sie verbinden. Danke für die schönen und wertvollen Begegnungen auf dem Camino.