Donnerstag, 17. Mai 2018: Rabanal del Camino – Molinaseca (25,3 km)
Gut ausgeruht genießen wir als Letzte ein gutes Frühstück in unserer Pension, bevor wir uns bei wunderbarem Sonnenschein und neun Grad auf den Jakobsweg machen. Heute erreichen wir einen Höhepunkt des Camino, das Cruz de Ferro. Das ist wörtlich zu nehmen, es ist mit 1.500 Höhenmetern der höchste Punkt des Camino Francés am Monte Irago in den Montes de León.
Bevor es soweit ist, erreichen wir das Dorf Foncebadón, das noch vor wenigen Jahren nahezu völlig verfallen war. Inzwischen gibt es hier schon mehrere Herbergen, und vor einer machen Hermine und ich eine kleine Rast in der Morgensonne. Der Weg ist sehr gut zu laufen und führt langsam aber stetig nach oben. Immer wieder faszinieren die fantastischen Ausblicke und die ursprüngliche Landschaft sowie die Blumen am Wegesrand mit ihren teilweise äußerst intensiven Farben. Um 12 Uhr haben das Cruz de Ferro erreicht.
Hier ist auf einem Baumstamm ein Eisenkreuz montiert, an welchem die Pilger einen von zuhause mitgebrachten Stein ablegen. Dieser steht mal für die eigenen Sünden, als Symbol für schon erfahrene Läuterung auf dem Jakobsweg oder es sind die symbolisch abgelegten Sorgen der Pilger. Immer häufiger legen die Menschen hier auch Briefe, Bilder und andere persönliche Dinge ab. Für mich und die Schmetterlinge ist heute der Tag gekommen, an dem ich den aus Freudenstadt mitgebrachten Stein und den Brief der Kinder hier ablege. Es ist ein ergreifender Moment, und es gelingt mir nicht lange, meine Tränen zu unterdrücken. Wir nehmen uns die Zeit, um uns die vielen, häufig beschrifteten Steine und andere Gaben anzuschauen. Ich brauche einige Zeit, bevor ich weitergehen kann.
Wir laufen noch circa sechs Kilometer auf der Höhe und passieren dabei das verlassene Dorf Manjarín. Tomás, der sich in der Nachfolge der Tempelritter sieht, betreibt hier eine einfache Pilgerherberge. Neben dem hier allgegenwärtigen Templerkreuz finden sich Schilder mit Entfernungsangaben zu vielen Orten dieser Erde. Der Abstieg beginnt moderat, wird aber immer steiler und felsiger. Viel Geröll erschwert das Finden trittfester Stellen. Wir kommen nur mühsam voran und machen in El Acebo de San Miguel eine Pause. Hier treffen wir auch das belgische Fahrrad-Pilgerpaar wieder, das hinter jedem Rad einen Anhänger mit sich führt: Einen für das ganze Gepäck und den anderen für ihre beiden Kinder.
Bis Riego de Ambrós ist es nicht ganz so schwierig, aber ich erinnere mich daran, dass es ab hier wieder hart wird. Mit zitternden Knien erreichen Hermine und ich Molinaseca. Es beginnt zu regnen, und wir beziehen in einer Pension am Ortseingang ein Zimmer. Ich bin stolz auf Minchen und dankbar dafür, dass wir diesen Abstieg gut überstanden haben.