Schotterweg

(9) Ein öder Tag

  • Frank Derricks
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Mittwoch, 7. Februar 2018: Bellemagny – Belfort (21,6 km)

Zwar bin ich häufig wach geworden, fühle mich aber trotzdem ausgeruht. In der Nacht musste ich die Heizung sogar runterdrehen, da es mir zu warm wurde. Meine Sachen sind ja schnell gepackt und so bin ich um 7 Uhr auf dem Weg zum Frühstück. Ich schleiche also durch die dunklen Flure des Klosters und plötzlich steht sie vor mir: Groß, jung, blond, hübsch anzuschauen und ohne Schleier. Eine Frau, die so gar nicht in das klösterliche Ambiente passen will. Sie ist nicht minder überrascht, mich hier zu sehen, einen Kerl im Nonnenkloster. Wir grüßen freundlich und sie entschwindet in ein Zimmer, aus dem Licht auf den Gang scheint und in dem die Stimmen weiterer Frauen zu hören sind.

Von einer Schweizer Nonne (Oder schreibt man das zusammen, wie Schweizerpass und Schweizermesser?) werde ich aus meinen Gedanken gerissen und zum Frühstück geleitet. Im selben Raum wie zum Abendessen sitze ich heute Morgen alleine. Der Tisch ist bereits eingedeckt: Brot, Butter, Marmelade, Tee, Kaffee und Milch. Außerdem liegt da noch etwas in Alufolie verpacktes: zwei Baguettes für unterwegs. Dankeschön! Ich hatte mir schon überlegt, wovon ich auf dem Weg nach Belfort leben sollte. Hier werde ich auch über die blonde Erscheinung aufgeklärt. Es war kein Engel, wie zunächst von mir vermutet, sondern eine Ärztin, die eine der Nonnen ambulant behandelt hat.

Es ist diesig und um die 0 Grad. Zunächst gehe ich über eine Straße, welche später zu einem Feldweg wird, Richtung Westen. Nach 2 Kilometern biege ich links auf einen frisch geschotterten Weg ein. Oder ist das ein Bahndamm, bei dem man die Gleise vergessen hat? Bei aller Liebe, aber das ist jetzt auch nicht besser als gestern, nur anders. Das wirkt wie ein Bußgürtel für Füße. Ja, ich meckere viel über den Zustand des Weges; bin wohl durch die bestens ausgebauten und hervorragend gepflegten Wanderwege im Schwarzwald sehr verwöhnt.

Nach einem matschigen Abschnitt laufe ich viel auf der Straße, die zum Glück nicht so stark befahren ist, wie im Pilgerführer beschrieben. Die Käffer, welche ich durchquere bedürfen keiner namentlichen Erwähnung. Keine Kirche, kein Bäcker, keine Spiel-Spelunke, noch nicht einmal ein Buswartehäuschen mit Sitzgelegenheit. Also bleibt es bei Minipausen zum Trinken. Als ich meinen Rucksack absetze stelle ich fest, dass dieser oben mit einer dünnen Eisschicht überzogen ist. Auch mein Hut ist an der vorderen Krempe vereist. Manchmal ist es auch am Rand der Straßen glatt. Das macht heute keinen Spaß.

Je näher ich meinem heutigen Etappenziel komme, desto besser werden die Wege. Die letzten Kilometer laufe ich auf einem schmalen Wanderpfad zunächst bergauf bis zu einer gigantischen Festung. Anschließend geht es zügig bergab ins 50.000 Einwohner zählende Belfort. Bis zum zweiten Weltkrieg war die Stadt mit ihrer Lage an der „Burgundischen Pforte“ zwischen Vogesen und Jura von strategischer Bedeutung. Belfort wird dominiert von einer weiteren, auf einem Hügel gelegenen, Festung. Unterhalb dieser befindet sich das Wahrzeichen der Stadt. Der monumentale „Löwe von Belfort“, eine gemauerte Steinskulptur von 21,5 Metern Länge und 10,7 Metern Höhe.

Mein Nachtquartier beziehe ich in einem von 4 „religiösen Frauen“ bewohnten Haus in der Altstadt. Die Damen sind sehr freundlich und bereiten mir in einem Dreibettzimmer mein Lager. Gerne hätte ich nach dem leckeren Abendessen (Hühnchen mit Risotto) das Haus nochmals verlassen und in der nahegelegenen Weinbar ein Glas getrunken. Die Türe ist allerdings verschlossen und von den Damen ist keine auffindbar. Also bleibt es wieder bei Leitungswasser. Prost!