(88) Volle Herbergen

  • Frank Derricks
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Mittwoch, 9. Mai 2018: Sahagún – Calzadilla de los Hermanillos (14,3 km)

Ich habe einigermaßen gut geschlafen, starte erst nach acht Uhr und bin offensichtlich der Letzte, der die Herberge verlässt. Hier gibt es allerdings keinerlei Verpflegung, so dass ich in einer Bar an der Plaza Mayor mein übliches Pilgerfrühstück aus Orangensaft, Napolitana (eine Art Schokocroissant) und natürlich café con leche bestelle. Bei herrlichem Sonnenschein verlasse ich diese auf mich irgendwie merkwürdig wirkende Stadt.

Heute ist es nur eine kurze Etappe. Neben der Straße verläuft der Jakobsweg weiter nach Westen. Nach fünf Kilometern zweigt eine Alternativroute ab, die am nächsten Tag bei Reliegos wieder mit der anderen Route zusammenkommt. Die Alternative ist definitiv die bessere Wahl, da ich sonst für zwei Tage nur an der Straße entlanglaufen müsste; darauf habe ich keine Lust. Außerdem gibt es in Calzadilla de los Hermanillos eine super Herberge, auf die ich mich schon freue.

In Calzada del Coto lege ich eine Arbeitspause ein. Bei café con leche sitze ich im Halbschatten und arbeite. Es stören hier nur die Kunden, die mit dem Auto oder LKW angerauscht kommen, den Motor laufen lassen und einige Minuten später wieder weiterziehen. Ich versuche einfach, das zu ignorieren. Nach anderthalb Stunden mache ich mich wieder auf den Jakobsweg, der jetzt mal wieder dem Verlauf der alten Römerstraße von Bordeaux nach Astorga folgt. Vorher stehe ich aber vor einem interessanten Wegweiser, der wie aus dem Leben gegriffen scheint: Keine klare Aussage. Einfach eine Entscheidung treffen und los!

Ich komme früh in der Herberge an und bin froh, ein Bett reserviert zu haben. Das Haus ist bereits belegt. Es ist kaum zu glauben, aber ich werde im selben Bett wie vor vier Jahren schlafen. Das Zimmer ist ausgestattet mit vier bezogenen (!) Einzelbetten und auf jedem Nachtlager liegt ein Frotteehandtuch. Auch das ist Pilgerluxus. Während ich meinem neuen Nebenjob als Telefonist und Übersetzer nachgehe, wird meine Wäsche gewaschen, die ich später im Garten aufhänge. Plötzlich tauchen auch Diana und Roland auf, bekommen aber hier im Ort keine Schlafplätze mehr. Alle Herbergen und ein Landhotel sind bereits voll belegt. Die Stimmung der beiden war schon mal besser …

Pilgeralltag: Es gibt ein Pilgermenü. Dabei haben die Pilger bei jedem Gang die Auswahl zwischen drei bis sechs Gerichten.

Erster Gang: Nudeln mit Sauce, Salat, Gemüsesuppe, grüne Bohnen mit Schinken, Gazpacho, Paella, …

Zweiter Gang: Fisch, Schweinerücken, Hähnchenbrust oder -Schenkel, Eier mit Schinken und Kartoffeln, Paella, Rindersteak, …

Nachtisch: Obst, Joghurt, Milchreis, Schokokuchen, Flan, Eis, …