(86) Immer geradeaus

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
  • Ein Kommentar

Montag, 7. Mai 2018: Carrión de los Condes – Calzadilla de la Queza (17,6 km)

Ich muss schon wieder meckern, aber das Bett in diesem Sterne-Bunker war eine Zumutung; schlechter als in jeder bisherigen Herberge. Bei jedem meiner Atemzüge quietscht das Ding fürchterlich. Irgendwann stehe ich auf und hole meine Ohrstöpsel aus dem Rucksack, obwohl ich gedacht hatte, heute mal darauf verzichten zu können.

Die Wäsche ist trocken, ich packe alles ein und nehme den Rucksack gleich mit zum Frühstück, welches hier erst ab acht Uhr serviert wird. Die Auswahl ist bescheiden und die Servicekraft, welche die Gäste gekonnt ignoriert, ist offensichtlich mit einer Art Inventur beschäftigt. Akribisch werden Tassen, Teller, Butterportionen und anderes gezählt und das Ergebnis notiert. In Burgos habe ich im Hotel deutlich weniger bezahlt und das Buffet war dort wirklich reichhaltig. Dieses Etablissement ist nicht zu empfehlen.

Ich habe eine Extraflasche Wasser dabei, um die lange und versorgungslose Strecke gut zu bewerkstelligen. Es ist wieder sonnig und auch um halb neun noch recht frisch in kurzen Hosen. Nach der Tankstelle am Ortsausgang geht es auf einer Straße circa fünf Kilometer mit der Sonne im Rücken nach Westen. Dann beginnt die berühmte und in meinen Augen übermäßig berüchtigte Strecke auf einem fast weißen Schotterweg. Es gibt hier kaum schattenspendende Bäume; im Sommer ist es sicherlich eine Qual, hier durch die Gluthitze der Meseta zu laufen. Heute aber sind die Temperaturen angenehm, und ich genieße die Ruhe, welche diese eintönige Landschaft ausstrahlt.

Eine Verpflegungsmöglichkeit gibt es doch: Circa zehn Kilometer nach Carrión befindet sich rechter Hand ein kleiner Imbiss mit Sitzmöglichkeiten unter bunten Schirmen. Auch ich mache hier eine kurze Rast und unterhalte mich mit Seca aus Brasilien und Ireen aus Montreal. Auch diese beiden jungen Pilger könnten ein Paar sein. Ich habe sie in den vergangenen Tagen bereits öfter gemeinsam gesehen. Ich finde, sie passen gut zusammen.

Bei meiner Ankunft in Calzadilla de la Queza treffe ich wieder auf Rainer. Er ist heute bereits vor sieben in Carrión gestartet und sehr froh, die für ihn anstrengende Etappe geschafft zu haben. Im Garten der Herberge genießen wir schon um kurz nach zwölf unseren frühen „Feierabend“ am Pool. Obwohl das Wasser darin eiskalt ist, stürze ich mich später für ein paar Runden in die Fluten. Es ist herrlich erfrischend, denn die Sonne zeigt inzwischen, was sie kann.

Es ist Zeit für eine Siesta. Zum Abendessen verabrede ich mich für 19:30 Uhr mit Eileen und Michael; wir gehören zu den letzten Gästen. Warum wird denn plötzlich so früh gegessen? Catherine gesellt sich zu uns, eine quirlige Uni-Dozentin aus Toronto. Nach dem Essen genießen wir gemeinsam den inzwischen etwas kühlen Abend auf der Terrasse. Am Horizont verfolgen wir das Gewitterschauspiel mit vielen, teilweise heftigen Blitzen. Als auch bei uns die ersten Tropfen fallen, ziehen wir uns noch kurz nach drinnen zurück, bevor wir als Letzte die Betten aufsuchen.

Bevor ich es vergesse: Heute feiere ich, über 2.000 Kilometer gelaufen zu sein; bis Finisterre sind es jetzt noch weniger als 500 km! Es war ein erfüllter Tag, danke!