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(83) Rücksichtsloses Pack

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Pilgeralltag, Projekt
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Freitag, 4. Mai 2018: Hornillos del Camino – Hontanas (10,7 km)

Bereits in der Nacht habe ich meine Ohrstöpsel ausgepackt und eingesetzt. Dabei liege ich doch alleine in meinem Zimmer?! Manche Menschen wissen aber leider nicht, dass Türklinken sowohl beim Öffnen als auch beim Schließen einer Türe verwendet werden können. Kurz vor sechs werde ich trotz Gehörschutz erneut wach: Im Bad spielt laute Musik, und unten wird die Herberge eingerissen. Zumindest hört es sich an wie Abbrucharbeiten. Wieder knallen Türen, und immer mehr Stimmen sind vernehmbar.

Im Erdgeschoss werden mit einem unglaublichen Lärm Tische und Stühle verschoben. Die beiden Gruppen unterhalten sich, als seien sie alleine auf dieser Welt. Warum ist dieses Pack nur so rücksichtslos? Ich habe dafür keinerlei Verständnis und bin auch nicht bereit, netter über diese Kreaturen zu schreiben. Das sind weder Pilgerer noch Wanderer. Ich empfinde nur noch Wut und Hass. An weiteren Schlaf ist jetzt nicht mehr zu denken, also verlasse ich die Herberge recht früh. Die Sonne lacht, aber auch in den Gesichtern anderer Pilger sehe ich keine Freude.

Während des Frühstücks im „Green Tree“ sehe ich einen offensichtlich schlechtgelaunten Roland vorbeiziehen. Auch ich mache mich wenig später missmutig auf den Weg. Zunächst geht es für circa drei Kilometer leicht bergauf, um dann einen weitgehend ebenen Verlauf zu nehmen. Das nächste Dorf, Hontanas, ist erst kurz vor dem Erreichen zu sehen. Es liegt in einer Senke und bleibt den Blicken der Pilger extrem lange verborgen. Am Ortseingang hole ich Roland ein, und wir machen eine Pause in diesem netten Dörfchen.

Wir beschließen, hier zu bleiben und es heute bei einer Strecke von 10 Kilometern zu belassen. Ich bin noch immer gefrustet und nehme mir gleich ein Zimmer in diesem kleinen Hotel. Warum sollte ich mir von rücksichtslosen Wesen meinen Camino versauen lassen? Ja, es liegt in meiner Macht, wie ich darauf reagiere. In solchen Momenten frage ich mich immer wieder, warum ich eigentlich so nett bin. Mal wieder eine Situation, mit der ich nicht umgehen kann.

Ich fange an, einige Etappen im Voraus zu planen und entsprechend Zimmer in Herbergen, Pensionen oder auch Hotels zu buchen. Das ist zwar nicht das, was ich mir vorgestellt habe und nimmt mir die Camino-Flexibilität, aber ich bin nicht gewillt, immer wieder sowas zu ertragen. Außerdem stehen die Termine für Minchens Ankunft in León und die Abreise aus Santiago de Compostela fest. Dann wird es eben ein durchgeplanter restlicher Camino. Für heute endet damit die Berichterstattung.