Pilgern mit SiNN > Blog: Alle Artikel > Kurzinformation > (68) So viele wundervolle Menschen

(68) So viele wundervolle Menschen

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
  • Ein Kommentar

Donnerstag, 19. April 2018: Roncesvalles – Larasoaña (28,7 km)

Endlich bin ich wieder unter Menschen. Auch wenn es für viele der Leser vielleicht kaum vorstellbar ist, ich habe in dem gut 50 Personen fassenden Schlafsaal gut geschlafen. Bis kurz nach sechs Uhr, als das Licht anging: Guten Morgen für alle! Das Frühstück für 3,50 Euro ist übersichtlich, aber wir starten wenigstens nicht mit leerem Magen. Der Tag verspricht wieder sehr sonnig zu werden, also starte ich diesmal gleich in kurzen Hosen. Es sind nur noch 790 Kilometer bis Santiago de Compostela.

Über sehr gut ausgebaute und meist auch schöne Wege pilgern eine beachtliche Schar von Menschen Richtung Zubiri. Wir laufen durch den Wald nach Burguete, wo es inzwischen mehrere Cafés gibt. Vor vier Jahren war ich froh, überhaupt eine geöffnete Bar gefunden zu haben, in der ich schon damals Ernest Hemingway vermutet habe, wenn er sich vor dem hektischen Treiben in Pamplona in dieses Dorf zurückgezogen hat. Heute ist die erste Rast in Espinal, wo ich auf Bea, die heute Geburtstag hat, und Edith aus Lübeck treffe. Die beiden sind bereits den Camino gelaufen und machen seit ein paar Jahren jedes Jahr erneut ein kleines Stück des spanischen Jakobsweges.

Bei einer kleinen Rast an einem schönen Plätzchen, welches ich noch vom letzten Camino kenne, gesellt sich auch Lynn zu uns. Die Koreanerin gehört überraschenderweise keiner der Reisegruppen an, die aus dem Süden der Halbinsel zwischen Gelbem und Japanischen Meer nach Nordspanien gereist sind. Gemeinsam laufen wir das etwas beschwerliche Stück des Jakobsweges nach Zubiri. Das ist baskisch und bedeutet “Ort an der Brücke”, wo Lynn einen Platz in einer Herberge gebucht hat. Dorthin wird auch ihr Gepäck geliefert.

Vor vier Jahren ist mir der Gepäckservice auf dem Camino erst viel später aufgefallen. Inzwischen gibt es das auch schon auf dem Weg ab Le Puy. In Zubiri mache ich wieder vor der Metzgerei mit angeschlossener Bar Pause, wo ich mich schon 2014 vom Abstieg erholt habe. Das WLAN-Passwort hat sich seitdem nicht geändert. Hier treffe ich wieder Louisa, die mit Robin und mir nach Larrasoaña weiterläuft. Hier wollte ich eigentlich nie übernachten, weil mir die öffentliche Herberge noch in sehr schlechter Erinnerung ist. Damals bin ich bis Pamplona gelaufen und habe zwei Etappen an einem Tag gemacht.

Inzwischen gibt es hier mindestens zwei weitere Herbergen. Wir haben zwischenzeitlich in einer erst seit 2015 geöffneten Herberge drei Betten gebucht und werden in Viererzimmern übernachten. Auch die Wäsche können wir hier waschen und trocknen. Morgen wird also ein kurzer Tag in sauberer Kleidung.

Die Zeit zwischen Dusche und Abendessen verbringen viele Pilger im Garten eines kleinen Ladens, wo es reichlich Sitzgelegenheiten gibt. Je später es wird und je mehr Bier die vornehmlich irischen, englischen und italienischen Kehlen hinuntergeflossen ist, desto lauter wird es. Ich teile mir mit den Mädels eine Flasche Rosé, und wir unterhalten uns mit anderen Pilgern aus Korea, den USA, Kanada, Deutschland und Australien. Ich höre so viele interessante Lebensgeschichten und Hintergründe und bin immer wieder über die Offenheit vieler Menschen auf dem Camino erstaunt.

Beim Abendessen gehen die Gespräche weiter, die Lautstärke sinkt nur geringfügig. Später unterhalte ich mich noch mit Gerhard aus Österreich, der zwar nicht so heißt, den ich aber unter diesem Namen in meinem Hirn gespeichert habe. Auch Franzi, eine Hamburgerin, die jetzt in Köln lebt, gesellt sich zu uns. Ich bin sehr dankbar für die Gesellschaft dieser interessanten Menschen.