Mittwoch, 18. April 2018: Saint-Jean-Pied-de-Port – Roncesvalles (27,2 km)
Um sechs Uhr ist die Nacht vorbei, und ich bin froh darüber: Gefühlt habe ich kaum geschlafen. Santiago Kim, der Koreaner, der weniger als einen Meter von mir entfernt gelegen hat, fand keine Ruhe. Ich hatte das Gefühl, als wälzte er sich alle paar Minuten von einer auf die andere Seite und schläft dann doch ein. Dann scheint für ihn die Schwerarbeit zu beginnen, deren Ergebnis wir am folgenden Tag sehen können. Auf den Hügeln steht kaum noch ein Baum; Kim hat in den Schlafphasen ganze Arbeit geleistet. Auch wenn ich mich umdrehe, quietscht das Bett, und der Fußboden knarrt.
Um sechs Uhr beschließe ich, dass die Nacht beendet ist und stehe auf. Alles quietscht und knarrt. Auch Kim beendet die Nachtruhe. Wenig später erwacht auch Robin, eine Kalifornierin, die heute Geburtstag hat. Der Frühstückstisch ist super schön gedeckt. Robin und ich sind die ersten, aber wenig später sind alle Herbergsbewohner zu Tisch. Wir singen gemeinsam „Happy Birthday“ und stärken uns für einen anstrengenden Tag. Der Jakobsweg von Saint-Jean-Pied-de-Port nach Roncesvalles gilt als eine der Königsetappen. Zum einen wegen ihrer Schönheit und der fantastischen Ausblicke, zum anderen aber auch wegen der körperlichen Herausforderung.
Bereits um sieben Uhr machen wir uns auf den Weg und sind beileibe nicht die ersten Pilger. Wir haben erst zwei Kilometer geschafft, als die Sonne am Horizont erscheint. Robin und ich fallen uns in die Arme; ich gratuliere ihr jetzt nochmals zum 35. Geburtstag. Nach achteinhalb Kilometern ist endlich die Herberge Orisson erreicht, wo ich eine Kaffeepause mache und Louisa kennenlerne. Sie kommt, wie fast alle US-Amerikaner, die ich gestern und heute treffe, aus Kalifornien. Das Land am Pazifik muss fast leer sein, so viele Menschen von dort sind auf dem Camino.