Donnerstag, 12. April 2018: Nogaro – Aire-Sur-L´Adour 27,9
Vor lauter Begeisterung über das nicht sonderlich schmerzende Knie und die Fähigkeit, meinen Camino wie gedacht fortsetzen zu können, ist mir gestern ganz entgangen, dass ich mich jetzt im Westen befinde. Kurz vor Nogaro habe ich, ohne es zu spüren, den Nullmeridian von Osten nach Westen überquert. Auf dieser Seite habe ich aber auch nicht besser geschlafen als auf der anderen; wie üblich seit vielen Wochen.
Nach dem Frühstück mit Anne-Marie mache ich noch einen kleinen Umweg, um beim Bäcker ein großes Sandwich zu kaufen. Auf einer Landstraße führt der Jakobsweg mich weiter nach Westen. Es sind nur geringe Höhenunterschiede zu bewältigen, das Laufen geht gut – keine Knieschmerzen. Die Wege sind oft gut begehbar, verlaufen auf kleinen und wenig befahrenen Straßen oder sind einfach eine Katastrophe. Kein weiterer Kommentar dazu.
Die Häuser sind hier anders als bisher: die Erdgeschosse sind häufig aus Stein gebaut, die Obergeschosse hingegen bestehen aus wohl mit Lehmziegeln ausgemauerten, häufig freiliegenden Fachwerkkonstruktionen. Auch die Vegetation ist anders, grüner. Überall sprießt das frische Grün. Von Tag zu Tag werden die Laubbäume ihrem Namen gerechter. Nur Eichen und Reben zieren sich noch etwas, ihr grünes Kleid anzulegen. Aber das kann nur noch eine Frage weniger Tage sein, wenn es jetzt nicht plötzlich kälter wird.
In den Bergen hat es in der vergangenen Nacht stark geschneit, und einige Pässe sind gesperrt. Ich werde den Übergang über die Pyrenäen wohl in einer Woche erreichen. Die Wettervorhersage spricht für Roncesvalles auf fast 1.000 Metern von Temperaturen zwischen drei und 21 Grad. Das sollte zum Tauen reichen. Auch heute ist das Wetter sehr angenehm, die wenigen Regentropfen halte ich auch gut ohne Cape aus. Je nach Beschaffenheit des Wegrandes raschelt es neben mir immer wieder, oder es macht „platsch“. Unzählige kleine Eidechsen verschwinden unter den trockenen Blättern, sobald sie mich bemerken. In den zahlreichen durchwanderten Feuchtgebieten springen größere und wirklich winzige Frösche mit einem großen Satz ins rettende Wasser. Diese Tierchen können ja nicht wissen, dass sie sehr weit unten auf meinem Speisezettel stehen.