(57) Scheiß Tag

  • Frank Derricks
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Sonntag, 8. April 2018: Lectoure – Condom

Die letzte Nacht verlief wieder nach dem üblichen Muster: Um 22 Uhr war ich im Bett und habe bis eins gut geschlafen, danach nur noch im Stundenrhythmus. Nach dem üblichen Frühstück strecke ich die Nase nach draußen. Es regnet leicht, der Himmel ist wolkenverhangen, trüb und grau. Trotzdem verlasse ich die Herberge von Isabelle und mache mich auf den Weg nach Condom.

Heute sage ich besser nicht viel. Der Regen nimmt zwischendurch zu und wieder ab. Mal nieselt es und selten fällt kein Niederschlag. In Marsolan esse ich ein frisches Baguette-Sandwich mit Salat, eingelegten getrockneten Tomaten, Schinken und Ziegenkäse. Dazu gibt es eine Cola mit viel Zucker, der gibt beim Wandern Kraft. In dem kleinen Lokal, das außerdem noch einen Gemischtwarenladen, eine Bäckerei und die Post beherbergt, ist es nicht sonderlich warm – wen wundert’s?

Als ich wieder aufbreche, regnet es stärker. Bis Condom sind es noch mindestens 17 Kilometer. Das Wetter und die Stimmung sind mies, aber die Wege sind teilweise noch deutlich mieser. Soviel Matsch und Schlamm an einem Tag habe ich noch nicht erlebt. Das übertrifft sogar die Etappe des Jahres 2014, als ich nach einem Tag mit starkem Niederschlag bei herrlichem Sonnenschein von Nájera nach Santo Domingo de la Calzada gelaufen war. Damals war es nur ein Stück des Weges, welcher durch zähen, roten Rioja-Schlamm führte. Heute ist der Matsch ebenso zäh und klebrig wie Kaugummi. Das Zeug klebt zentimeterdick unter den Schuhen und an den Stöcken. Es quillt seitlich heraus und ist schwer. Einfach ekelig.

Wenn ich Wetter, Laune und Weg zusammenzähle, war das heute der mieseste Tag. Auch im Café des Sports, dem einzig geöffneten Etablissement in Condom, habe ich keine nette Begegnung. Hier komme ich mir vor wie im Orient, nur Männer. Hoffentlich bekomme ich hier heute Abend noch etwas zu essen, bevor ich in meine kalte Herberge zurückkehre. Dort ist es ganz okay, aber eben kalt. Habe schon um Erwärmung gebeten. Frankreich wird mir als kaltes Land in Erinnerung bleiben, obwohl ich mich inzwischen ungefähr auf dem 43. Breitengrad befinde, wie Nizza und Florenz. Dankbarkeit fällt mir heute schwer, doch bin ich froh, den Weg gesund und ohne Verletzungen gehen zu können.