Donnerstag, 5. April 2018: Lauzerte – Moissac (27,4 km)
Erst um kurz nach sieben werde ich wach. Die Nacht war wieder unruhig, nicht weil Marc geschnarcht hätte oder wegen anderer Geräusche. Das Bett ist quasi neu und war weder zu hart noch zu weich. Warum ich in den vergangenen Nächten nicht gut schlafe, weiß ich nicht. Wir frühstücken gemeinsam, wobei ich genüsslich die letzte Portionspackung Nutella verzehre, die Hermine mir in Steinheim mit auf den Weg gegeben hat. Marc hat bereits die Herberge verlassen, aber ich trinke noch einen leckeren Kaffee aus dem Kaffeevollautomaten.
Es ist fast neun, als ich das Dorf auf der Straße verlasse und dabei eine Abzweigung verpasse. Der Umweg entspricht meinem Pilgerführer, jedoch der ausgeschilderte Weg verläuft nicht hier. Als ich diesen wiedergefunden habe, geht es auch bald über einen Hohlweg steil bergauf und kurz danach wieder genauso steil bergab. Die Sonne lacht immer mal wieder vom leicht bewölkten Himmel, als ich ein merkwürdiges und fast fenster- und türloses Haus auf Stelzen passiere. Es ist bestens restauriert, und aus meinem Buch erfahre ich, dass es sich um ein für die Region typisches Taubenhaus handelt. Von den Ratten der Lüfte ist allerdings nichts zu sehen.
Nachdem ich bereits 18 Kilometer gelaufen bin, mache ich eine kleine Rast bei sehr freundlichen Menschen, welche sich hier niedergelassen haben. Es ist wieder eines dieser zwiespältigen Erlebnisse zwischen herzlicher Offenheit und ungepflegtem Durcheinander. Die drei, deren Namen ich leider nicht kenne, bieten mir ein Glas Weißwein an und bedauern es, dass die Austern bereits alle sind. Ziegen und Hühner laufen hier ebenso wie drei Hunde frei herum. Als nach einer kurzen Zeit andere Pilger vorbeikommen, schließe ich mich diesen an, denn ich habe noch circa zehn Kilometer vor mir.
Es wird immer sonniger, und auch die Vegetation ändert sich merklich. Immer häufiger sehe ich Akazien und Zypressen. Auch Palmen sind ab und zu anzutreffen. Vor Moissac gilt es wieder, einen langgestreckten Hügel zu erklimmen, um dann, kurz vor dem Erreichen der Kleinstadt Moissac (12.000 Einwohner), auf einem asphaltierten Weg ins Tal zu laufen. Hier erreiche ich den bisherigen Tiefpunkt meines Jakobsweges – geographisch gesehen. Der Ort kurz vor dem Zusammenfluss von Tarn und Garonne liegt nur 74 Meter über dem Meeresspiegel.