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(53) Der Frühling ist da

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
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Mittwoch, 4. April 2018: Montcuq – Lauzerte (15,2 km)

Warum weiß ich nicht, aber in der Nacht habe ich stark geschwitzt. Zum Glück musste ich nicht im Schlafsack liegen, denn das fühlt sich dann an wie im eigenen Saft zu garen. Ja, klingt ekelig, aber es gehört zu meinen Erlebnissen dazu. Also fix erneut unter die Dusche, das dann wieder nasse Handtuch bleibt ja hier. Heute genieße ich einen guten Kaffee zum Frühstück, besuche aber trotzdem das einzige geöffnete Café im Ort, um zu schreiben. Heute habe ich nur eine Strecke von 15 Kilometern vor mir, was nach vier Tagen mit insgesamt über 120 Kilometern einfach gut tut.

Trotzdem habe ich das Gefühl, zu spät gestartet zu sein. Immer, wenn ich erst nach zehn Uhr auf dem Weg bin, wird der Tag, selbst bei einer geringen Entfernung, einfach zäh. Kurz nach dem Ortsausgang von Moncuq werde ich von Marc, einem Lehrer aus Toulouse, eingeholt. Es gibt also tatsächlich andere Pilger auf diesem Abschnitt des Jakobsweges. Häufig auf schmalen Pfaden, welche heute mal wieder äußerst matschig sind, laufe ich in ständigem Auf und Ab durch die immer grüner werdende Landschaft. Hier sieht es längst nicht mehr so steinig und unfruchtbar aus wie in den letzten Tagen. Auch die Eichen wachsen hier höher, zeigen aber noch keinerlei Blattwuchs. Dabei warten bereits viele hungrige Mäuler darauf, sich an diesen gütlich zu tun. Unterwegs sehe ich mehrmals zwischen den Eichen eine Prozession der gleichnamigen Spinner.

Auf einem Stein in der Sonne sitzend verzehre ich genüsslich den Rest meines Baguettes aus Cahors mit reichlich Käse. Der muss dringend gegessen werden, denn die Temperaturen von bis zu 20 Grad tun dem Milchprodukt sicher nicht gut. Hier blüht, sprießt und grünt es und auch die Bienen summen, die Schmetterlinge flattern und die Grashüpfer springen. Es wird tatsächlich Frühling. Das merke ich spätestens, als ich am linken, dem häufig nach Süden gerichteten und der Sonne ständig ausgesetzten Arm einen leichten Sonnenbrand feststelle.

Beim Erreichen des Unterdorfes von Lauzerte treffe ich auch wieder auf die Deutsche, welche sich sehr langsam und sichtlich angestrengt den Berg heraufquält. Sie ist auch heute nicht zu Gesprächen aufgelegt, und ich belasse es daher bei einer freundlichen Begrüßung. Meine Herberge ist frisch renoviert bezeiehungsweise neu eingerichtet und erinnert an eine Mischung aus Ikea- und Design-Möbelhaus. Alles ist neu, funktionell aber trotzdem gemütlich. Im großen Schlafraum können zwölf Personen in sechs Stockbetten nächtigen. Ich teile mir das Domizil mit Marc, den ich ja bereits getroffen habe.

Nach einer Dusche und der Kleinwäsche (Shirt, Unterwäsche und Socken) mache ich mich auf den Weg ins Oberdorf. Zuvor jedoch creme ich mich gut ein, denn der Frühling hat am linken Arm auch einen leichten Sonnenbrand mitgebracht. Lauzerte ist als Wehrdorf (Bastide) auf einem steilen Hügel erbaut worden wie viele Ansiedlungen aus der Zeit des hundertjährigen Krieges gegen die Engländer. Es war die Zeit von Jeanne d’Arc, in Deutschland bekannt als „Jungfrau von Orléans“, und in diesem Dorf fühle ich mich tatsächlich in das 15. Jahrhundert zurückversetzt. Nur die Autos stören das spätmittelalterliche Bild. In einem Lokal am Marktplatz bei der Kirche, am höchsten Punkt des Ortes, trinke ich eine Cola. Trotzdem fallen mir beim Schreiben die Augen zu und ich beschließe, die Herberge aufzusuchen, um eine kleine Siesta von einer halben Stunde einzulegen.

Gerade als ich aufbrechen will, regnet es heftig. Der Schauer ist aber bald vorüber, und ich laufe durch die teilweise bestens renovierte Oberstadt Richtung Design-Herberge. Auf dem Weg passiere ich die kommunale Herberge, in der einige Menschen um einen großen Tisch versammelt sind. Offensichtlich noch mehr Pilger auf dem Weg. Nach meinem Erholungsschlaf gehe ich zum Abendessen und genieße einen Salat mit reichlich Weißwein, bevor ich um 22 Uhr zurückkehre und auch Marc wieder antreffe. Wir unterhalten uns noch ein wenig und begeben uns schließlich zur Nachtruhe.

Ich habe es geschafft und bin auf dem Laufenden mit den Blogbeiträgen. Jetzt fehlt nur noch der Upload der Bilder, wofür ich hier aber keinen ausreichenden Empfang habe.