Freitag, 23. März 2018: Conques – Decazville (20,0)
Um halb sieben klingelt der Wecker. Die Morgentoilette ist schnell erledigt, und nach dem Frühstück verabschiede ich mich von Anna, ihren Begleitern und den Helfern in der Herberge und begleite Natalia zum Bus. An der Haltestelle haben wir noch einige Minuten Zeit und liegen uns in den ersten Sonnenstrahlen, welche das Dorf erreichen, minutenlang wortlos in den Armen. Da bahnen sich sie Tränen ihren Weg. Ich bleibe noch, bis sich der Bus in Bewegung setzt und laufe dann runter zur alten Pilgerbrücke aus dem Jahr 1410.
Ich bin wieder alleine auf dem Weg, nur die Tränen laufen mit mir. Es geht extrem steil bergauf. Schritt für Schritt auf felsigem und trockenen Untergrund steige ich aufwärts zur Kapelle Ste-Foy. Inzwischen mischt sich Schweiß unter die Tränen und läuft mir über das Gesicht. In der Kapelle läute ich die Glocke, bekomme aber keine Antwort aus Conques. Vielleicht war mein Läuten zu zaghaft oder der Wind hat den Schall in eine andere Richtung getragen. Nochmals geht es bergauf, und nach einer Stunde habe ich erst zweieinhalb Kilometer der heutigen Etappe geschafft.
Wie gestern wechseln sich kaum befahrene Straßen mit Feldwegen ab. Eine weitere Stunde später erreiche ich das Dorf Noailhac, in dem es tatsächlich eine geöffnete Bar gibt. Dort tauchen dann wenig später auch Nicolas und Simon auf. Ich brauche eine längere Pause, und die beiden starten vor mir wieder Richtung Decazville, einer sterbenden Kleinstadt in einem ehemaligen Kohlerevier. Ich fasse den Entschluss, die Pilgerreise zu unterbrechen und morgen mit dem Zug zu meinen Eltern zu fahren. Mein Vater wird in der kommenden Woche an der Hüfte operiert und meine Mama hat morgen Geburtstag.