Sonntag, 18. März 2018: Nasbinals – Saint-Chély-d’Aubrac (16,8 km)
In der Nacht hat es leicht geschneit. Die Dächer der Häuser und die umliegenden kargen Weiden sehen aus wie mit Puderzucker bestreut. Die Temperatur liegt bei null Grad. Als erster verlasse ich unsere Unterkunft gegen acht Uhr, um Baguette und Käse zu kaufen. Der Lebensmittelladen hat noch geschlossen und öffnet erst gegen neun. Immerhin, er öffnet und das an einem Sonntag. Das Baguette bekomme ich in einer Bäckerei und in einem Hotel trinke ich einen heißen Kaffee.
Um kurz nach neun ist der Käse besorgt und der Rucksack gepackt. Wir erwarten „die drei Jungen“ vor unserer Unterkunft und starten von knapp unter 1.200 Höhenmetern, um heute den mit 1.368 Metern höchsten Punkt dieses französischen Jakobsweges zu erreichen. Graue Nebelschwaden ziehen über die bei dieser Witterung eintönige Landschaft. Im Frühling und Sommer soll es hier herrlich und die Wiesen mit bunten Blumen übersät sein.
Nach dreieinhalb Kilometern verlassen wir den Weg und laufen, meist entlang von Weidezäunen, über die verschneiten Wiesen. Teilweise überqueren wir kleinere Altschneefelder, und wer Pech hat, bricht ohne Vorwarnung ein und versinkt bis zu den Knien im Schnee. Für die anderen ist das jedoch jedes Mal eine Belustigung. Der eisige Wind, welcher die Graupelkörner in die Gesichter peitscht, ist jedoch weniger zum Lachen. Ich bin froh, heute und hier nicht alleine zu sein.
In der Ferne erkennen wir Menschen, welche wie Ameisen hintereinander herlaufen. Es sieht aus, als seien es dutzende. Wenig später erblicken wir in einer anderen Richtung weitere Wanderer. Die Zahl der kleinen dunklen Punkte vor dem weißen Hintergrund nimmt immer mehr zu; es sind hunderte! Heute findet eine Käsewanderung statt. Von mehreren Startpunkten aus wandern die Menschen über unterschiedliche Entfernungen nach Aubrac und werden unterwegs in Hütten und Gasthäusern kulinarisch verwöhnt. Später erfahren wir, dass es in diesem Jahr 2.400 Teilnehmer waren. Auf unserem Pfad jedoch sind wir alleine.
Einmal hätten wir uns fast verlaufen, da die weiß-roten Wegmarkierungen an Pfählen und den wenigen Bäumen spärlich sind. Hier oben befinden sich die meisten davon auf Felsen und Steinen, was uns bei dieser Wetterlage wenig hilft. Schließlich finden wir aber doch den richtigen Weg und treffen am höchsten Punkt auf die Ameisenstraße. Kurz vor dem Ort Aubrac, dessen Kirche und der „Tour des Anglais“ sich finster von der Umgebung abheben, zweigen die Käsewanderer ab, um in einer großen Halle das Abschlussessen, natürlich mit Aligot, zu genießen. Wir begnügen uns im einzig offenen Restaurant mit Kaffee beziehungsweise heißer Schokolade und teilen uns ein riesiges Stück Birnen-Schoko-Tarte.