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Weg durch Ginster

(33) Alleine Richtung Süden

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
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Freitag, 9. März 2018: Marols – Pontempeyrat (25,1 km)

Schon vor sechs Uhr bin ich wieder wach. Das Bett in dem ich liege wird normalerweise als Trampolin für das allabendliche „spectacle“ verwendet, wofür es sich wohl auch besser eignet denn als Schlafstatt. Der Wind fegt um das Haus und die Fensterläden klappern wie wild. In der Nacht habe ich zum ersten Mal auf meiner Pilgerreise Ohrstöpsel getragen. Nach der frühen Morgentoilette nutze ich die Zeit, um einen Blogartikel zu schreiben.

Nach dem gemeinsamen Frühstück werde ich mit Merlin wieder in das Dorf gebracht. Er geht zur Schule, und ich besuche noch die von außen sehr wehrhaft wirkende Kirche, deren karg anmutender Innenraum kaum von natürlichem Licht erhellt wird. Danach bitte ich im Rathaus noch um einen Stempel für den Pilgerausweis und mache mich an den Aufstieg auf 1.171 Meter. Nach einer Stunde stetigen Anstieges habe ich den bisher höchsten Punkt des Jakobsweges erreicht und bin eine weitere halbe Stunde später in Montarcher, dem zweiten Höhepunkt des Tages.

Die Sonne scheint, und trotz der Höhe komme ich auch während des Abstieges mit drei Lagen aus. Als ich den Wald verlasse und in das Dorf Montarcher laufe, bläst ein kräftiger Wind, der mich, aus dem Windschatten der Kirche tretend, fast umweht. Natürlich versucht der Hut, sich selbstständig zu machen, ist aber nach wie vor gesichert. Die Kirche hier ist aus dem zwölften Jahrhundert und innen überraschenderweise deutlich heller und üppiger ausgeschmückt als das Gotteshaus in Marols. Beim Verlassen der kleinen Kirche bietet sich ein fantastischer und wirklich atemberaubender Blick in die Auvergne.

Zunächst führt der Weg steil bergab, immer Richtung Süden. Die Waldgebiete mit ihren – häufig mit Ginster überwucherten – Lichtungen, wechseln sich mit kargen Weideflächen ab. Mit kurzen Zwischenanstiegen gehe ich durch eine menschenleere Gegend jetzt stetig bergab bis nach Usson-en-Forez, wo ich in einem Lokal eine Rast einlege. Der 1.200-Seelen-Ort ist die einzige „größere“ Ansiedlung, die ich heute durchwandere. Hier sehe ich auch die ersten Menschen, seit ich Marols verlassen habe.

Noch sieben Kilometer bis nach Pontempeyrat, meinem heutigen Etappenziel. Der Wind weht weiterhin frisch und fühlt sich jetzt kälter an. Das liegt sicherlich daran, dass die Sonne immer häufiger von Wolken verdeckt wird. Die letzten 20 Minuten geht es steil bergab in den kleinen Ort, der als einzige Infrastruktur eine zum Tante-Emma-Laden erweiterte Bäckerei und meine Pension aufweist. Da letztere noch geschlossen ist, frage ich in dem genannten Laden nach einem Kaffee, welcher mir dann in der Küche der Familie kredenzt wird. Ich freue mich über die freundliche Geste, auch wenn der Kaffee, welcher in der Mikrowelle aufgewärmt wurde, nicht berauschend schmeckt.

Gegen vier Uhr komme ich in der Pension an und beziehe ein schönes und ruhig gelegenes Zimmer. Hier kann ich dann auch noch ein kurzes Telefongespräch mit den Schmetterlingen führen, bevor ich mich meiner Wäsche widme. Gemeint ist hier sowohl die Körperreinigung als auch die Handwäsche eines Teils der Kleidung. Nach einer kurzen Siesta werde ich als einziger Gast sehr gut verköstigt. Es ist immer wieder erstaunlich, was in diesen Pensionen kulinarisch geboten wird. Auch die Zimmer sind häufig sehr geschmackvoll eingerichtet, und die Bäder entsprechen dem aktuellen Stand der Sanitärtechnik.