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(31) Landstraßen und kläffende Köter

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
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Mittwoch, 7. März 2018: Bussy-Albieux – Montbrison (25,7 km)

Die Sonne scheint und ich habe gut geschlafen. Das kann ja nur ein guter Tag werden. Auch habe ich gestern Abend erfahren, dass es sich bei dem weißen Bergrücken, welchen ich gestern mit Entsetzen erblickt habe, um ein auch künstlich beschneites Skigebiet handelt und ich dort nicht entlanglaufen muss. Ich frühstücke mit Pain au chocolat und Baguette, wie es frischer nicht sein kann. Die Backstube ist im Nebenraum. Den Rest des Brotes bekomme ich noch eingepackt und mache mich auf den Weg.

Dieser führt zunächst auf der Landstraße nach Arthun und dann auf einem geteerten Feldweg fast schnurgerade Richtung Süden. Hier komme ich an einem weißen Schlösschen vorbei, dessen Barockgarten langsam wieder von der Natur erobert wird. Dabei hatten doch die Gartenbauer seinerzeit die Beherrschbarkeit der Natur im Sinn. In Sainte-Agathe-la- Bouteresse kehre ich als einziger Gast in einer Café-Bar ein. Den Wirt kann ich aufgrund seiner Kehlkopfoperation kaum verstehen und so entfällt ein Gespräch. Nach Montverdun sind es nur drei Kilometer. Dort ist das Kloster nebst Kirche von der Ortsseite aus wegen der Verlegearbeiten für Glasfaserkabel nicht erreichbar.

Im Ort verpasse ich eine Abzweigung und kann weitere fünf Kilometer auf einer Landstraße gehen. Wenigstens bleibt mir dafür der Aufstieg auf einen einsam in der Landschaft stehenden Hügel erspart, doch der Weg wäre sicher schöner und kaum länger gewesen. An jedem Bauernhof und jedem dritten Haus das Gleiche. An einer langen Kette bzw. auf dem eingezäunten Grundstück kläffen Hunde, sobald ich in Sicht- Hör- oder Riechweite komme. Besonders gehen mir die Viecher auf den Geist, die wie von einer Tarantel gestochen plötzlich bellend gegen das metallene Tor springen, um anschließend ihre Schnauze zähnefletschend durch irgendwelche Lücken zu quetschen.

[Bilder folgen]

Ich mache mir weiterhin Gedanken über dies und das und frage mich, wie lange es noch so weitergehen soll. Über geteerte Feldwege geht es weiter nach Campdieu, wo der Himmel zu weinen beginnt. Die romanische Klosterkirche mit Ihrem Tonnengewölbe und den mittelalterlichen Kapitellen ist sehenswert und besticht auch äußerlich durch ihre Architektur. Nach Montbrison sind es noch fünf Kilometer und ich freue mich auf den Abend in einer Kleinstadt, doch irgendwie will sich die rechte Stimmung nicht einstellen. Im Gegensatz zu Cluny oder Beaune fühle ich mich hier unwohl. Vielleicht liegt es an den vielen Baustellen und aufgerissenen Straßen oder den ungepflegten Häusern. Ich suche und finde trotzdem ein nettes Café, wo ich auf der Terrasse in der Sonne einen Kaffee trinken kann, grüble aber noch immer.

Im Hotel angekommen ist meine Stimmung auf dem Tiefpunkt. Jeden Tag alleine auf dem Jakobsweg und abends das immer gleiche Frage-Antwort-Spiel: Woher kommst Du? Wie weit gehst Du? Bis nach Santiago in einem Stück? Wie schwer ist der Rucksack? Hast Du Blasen? Und immer wieder die gleiche Feststellung: Du bist der erste Pilger in diesem Jahr. Wenn der Zweite und Dritte auf sich warten lassen, fühle ich mich als Erster sehr alleine. Ich wünsche mir wenigstens ein paar Menschen um mich herum, mit denen eine echte Unterhaltung möglich ist. Jetzt kann ich nicht mehr anders und lasse den Tränen freien Lauf. Es fällt mir schwer, so den Bildschirm eines Handys zu erkennen. Ich schaue nach Bahnverbindungen von hier oder Le Puy nach Freudenstadt.

Nach einer Siesta dusche ich, esse das Baguette von heute Morgen und mache mich auf die Suche nach einer Kneipe, um wenigstens noch ein paar Menschen zu sehen. Schließlich lande ich in einem Laden, der unglaublich viele Biersorten auf der Karte führt. Außer mir sind nur wenige Gäste hier; zwei Tische sind besetzt. Nach drei kleinen Gläsern Bier à 0,25 Liter verlasse ich als letzter Gast um halb elf das Haus und kehre zum Hotel zurück. Ich werde weiterlaufen, auf jeden Fall bis Le Puy.