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(30) 1.000.000 Schritte

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
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Dienstag, 6. März 2018: Saint-Jean-Saint-Maurice-sur-Loire – Bussy-Albieux (29,2km)

Gestern habe ich die eine Million-Marke geknackt, 1.000.000 Schritte auf dem Jakobsweg. Wo wir schon bei den Zahlen sind: Von Freudenstadt bis Saint-Jean-Saint-Maurice-sur-Loire bin ich 727 km gelaufen und habe ca. sechs Kilogramm abgenommen. Die körperliche Gesundheit lässt nicht zu wünschen übrig. Einzig die Einsamkeit macht mir immer wieder zu schaffen. Jeden Tag höre ich, dass ich der erste Pilger des Jahres bin und da hinter mir kein anderer in Sicht ist, bin ich eben auch alleine.

Nach dem Aufstehen begegne ich noch Noël, der sich gerade aufmacht, zur Arbeit zu fahren. So frühstücke ich alleine mit zwei großen Schalen Kaffee. Ja, ich mache daraus Milchkaffee, bin aber auch damit fast alleine. Beim Frühstück werden häufig keine Teller verwendet. Selbst in einfachen Hotels muss ein Papierset oder eine Serviette, ebenfalls aus Papier, genügen.

Bei gutem Wetter laufe ich die beiden Zusatzkilometer bis St. Jean und genieße dort nochmals einen Milchkaffee. Durch das nette und menschenleere Dorf laufe ich zur romanischen Kirche aus dem 12. Jahrhundert. Die Fresken wurden im vergangenen Jahrhundert freigelegt, den Jakobus im Fenster auf der rechten Seite fand man erst 1999. Ich freue mich, dass dieses Gotteshaus geöffnet hat, wo ich doch sonst so häufig vor verschlossener Türe stehe.

Oberhalb des Stausees der Loire laufe ich auf sehr angenehmen Wegen zunächst bergab um dann für zwei Stunden fast nur aufwärts zu wandern. Auf der Kuppe angekommen habe ich einen fantastischen Blick über … aber was ist das? Meine Augen weiten sich vor Entsetzen. Mich verstört nicht die Sicht über das obere Loiretal bis fast zu den Alpen sondern das, was ich weiter rechts, im Südwesten sehe. Da ist ein langgestreckter Bergrücken zu sehen und der ist komplett schneebedeckt. Das ist so ungefähr meine Richtung, aber ich hatte nach dem guten Wetter und den geringen Niederschlägen der vergangenen Wochen nicht mit Schnee gerechnet.

Bis nach Bussy-Albieux geht es jetzt fas 20 km nur bergab. Ein Teil der Strecke führt über herrliche Wiesen- und Waldwege durch die Natur und endlich sehe ich hier auch die ersten Ziegen, deren Milch ja dringend für den Halb-und-halb-Käse benötigt wird. Die imposante Klosteranlage von Pommiers ist bis Ende März nur am Wochenende geöffnet und auch die Kirche ist verschlossen. So laufe ich die verbleibenden gut fünf Kilometer ausschließlich auf langweiligen Landstraßen meinem Etappenziel entgegen.

Da ich meine Unterkunft nicht finden kann, frage ich im Rathaus nach. Dort bieten mir die beiden Damen einen Kaffee und Schokolade an. Ein Anruf in der Pension bleibt unbeantwortet und so macht sich die jüngere der beiden persönlich auf den Weg, um nach der Wirtin zu suchen. Letztere läuft gerade mit den beiden Kindern vorbei und ich werde nun von ihr erwartet. Nachdem mein Pilgerpass durch einen weiteren Stempel bereichert ist, gehe ich nach schräg gegenüber in das Haus, in welchem sich auch die Bäckerei des Ortes befindet. Den winzigen Hinweis auf die Pension hatte ich soeben übersehen.

Gemeinsam mit Mama und den Kindern nehme ich an der großen Tafel, welche locker bis zu 20 Personen Platz bietet, das Abendessen ein und verabschiede mich danach bald. Die heutige Etappe war zwar nicht schwierig aber doch mit fast 30 km recht lang und ich bin müde.