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(27) Endlich Sonne und Wärme

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
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Samstag, 3. März 2018: Le Cergne – Pouilly-sous-Charlieu (25,8km)

Die Nacht war noch schlechter als die davor. Ich habe keine Ahnung, warum ich häufig so schlecht schlafe. Ich erwarte ja nicht, dass ich eine ganze Nacht durchschlafe, ohne wachzuwerden aber ständiges Wälzen von einer auf die andere Seite und unzählige Male auf die Uhr sehen bezeichne ich als schlechten Schlaf.

Gemeinsam mit Martine und Philippe frühstücke ich in der Küche. Die beiden sind wirklich super nett und stellen ihr Zimmer seit 30 Jahren Pilgern zur Verfügung. Außerdem kümmern Sie sich um die Ausschilderung des Jakobsweges rund um Le Cergne. Die Wäsche ist vor dem Kamin gut getrocknet und riecht wieder frisch, auch die großen Kleidungsstücke, die von Hand etwas umständlich zu waschen sind. Von den 37 Euro für Abendessen, Übernachtung, Frühstück und Wäsche geben Sie 7 Euro als Spende für die Schmetterlinge. Danke!

Nach der Verabschiedung von Martine nimmt mich Philippe noch mit ins Dorf. Es regnet leicht und ich überlege, ob ich jetzt das Regencape anziehe oder im Café noch warte, bis die Regenfront durchgezogen ist. Ich entscheide mich für das Café. Also es ist natürlich auch eine Bar und mehrere Männer genießen hier bereits ein Glas Wein. Ich werde freundlich auf englisch und spanisch von zwei Herren begrüßt, die offensichtlich nicht beim ersten Glas sind. Der Jüngere der beiden ist Anfang, der andere Ende dreißig.

Wir kommen ins Gespräch und beide erzählen sie, wie gerne Sie Jakobspilger mögen und können kaum glauben, dass einer von Deutschland nach Nordwest-Spanien zu Fuß unterwegs ist und das auch noch in dieser Jahreszeit. Diese Geschichte höre ich mehrmals hintereinander. Als die beiden mit einem randvoll gefüllten Glas Weißwein auf meinen Tisch zuwanken, habe ich etwas Angst um meine frisch gewaschene Jacke. Ich lehne mit dem Verweis auf einen langen Marsch und die Tageszeit dankend ab und bemerke, dass sich bereits die zweite Flasche Wein fast geleert hat. Für mich wird es jetzt höchste Zeit, aufzubrechen. Auch der Regen hat fast aufgehört. Damit ich nicht verhungere bekomme ich noch ein großes Stück Salami und zwei, mit einer weichen graugrünen Edelpilzschicht bedeckte, Miniatur-Käseleibe mit auf den Weg. Auch dafür bedanke ich mich herzlich!

Nachdem mich die Gegend hier in den vergangenen Tagen stark an den Nordschwarzwald erinnert hat, wird es jetzt flacher und die Tannen weichen wieder Laubhölzern. Ich laufe fast immer nur bergab und manchmal ist es recht steil, so dass ich sehr aufpassen muss, nicht abzurutschen, wenn der Weg wieder matschig ist. Die drei Rehe, welche ich aufscheuche, springen mit ihren dünnen Beinen im Vergleich mit mir äußerst leichtfüßig den Hang hinab. Das sieht einfach geschmeidiger aus.

An der Pont de Fer komme ich an einem unglaublichen Geschäft vorbei. Hier gibt es die ganze Welt in einem Laden. Egal ob Autositzbezüge oder Zeitungen, Wanduhren, Parfum, Gasflaschen, Gartenmöbel, Hüte, Handyhüllen oder Faschingskostüme, hier gibt es alles. Natürlich auch Obst und Brot und selbstverständlich kann man sich hier auch zum Essen und Trinken niederlassen. Die Inhaberin heißt mich herzlich willkommen, auf Englisch. Als ich Ihr erzähle, dass ich aus Deutschland komme, wird die Begrüßung auf deutsch wiederholt. Ob damit der fremdsprachliche Wortschatz erschöpft ist, kann ich nicht sagen, ab jetzt bleibt die Dame bei französisch. Schnell holt sie einen Wandkalender, um zu notieren, dass heute der erste Jakobspilger hier war.

Nach meinem Kaffee geht es weiter an Mars vorbei und zunächst bergauf und wieder bergab nach Charlieu, einem mittelalterlichen Dorf mit Charme. Gegenüber der Kirche statte ich der Touristeninformation einen Besuch ab, um mir einen schönen Stempel abzuholen. Die junge Dame arbeitet hier aushilfsweise und es ist ihr sichtlich unangenehm, dass ich zunächst warten muss. Ein älteres Paar hat viele Fragen, schaut in nahezu jeden Prospekt und verabschiedet sich mehrmals dankend, nur um dann kurz vor der Türe kehrt zu machen und noch eine letzte Frage zu stellen. Als die offensichtlich etwas anstrengenden Herrschaften vorübergehend weg sind, klingelt das Telefon. Ich bleibe geduldig und schließlich können wir uns sogar kurz über den Jakobsweg und die Schmetterlingsgruppe unterhalten.

Beim Verlassen des Ortes komme ich an der ehemaligen Abtei Saint-Fortunat vorbei. Diese wurde bereits im Jahr 872 gegründet. Auch die erste der drei Kirchen, von denen keine mehr vollständig erhalten ist, stammt aus dem 9. Jahrhundert. Jetzt geht es für ein kurzes Stück wieder steil nach oben. Immer wieder habe ich bei sonnigem Frühlingswetter einen herrlichen Blick über das weite Tal der noch jungen Loire, welches hier ca. 30 bis 40 km breit ist. Nach einem steilen Abstieg erreiche ich Pouilly-sous-Charlieu, muss aber bis zu meiner Unterkunft zwei weitere Kilometer in Kauf nehmen und das zieht sich. Kurz vor dem abendlichen Regen erreiche ich die Pension mit der riesigen Wohnhalle.