Donnerstag, 1. März 2018: Tramayes – La Verrèrie (26,9km)
Gestern hab ich’s ganz vergessen. Als ich ca. eine Stunde vor meinem Etappenziel eine kurze Pause gemacht und ein paar Bissen von meinem Baguette aß, wollte ich etwas trinken. Also nehme ich die Flasche mit Leitungswasser aus Cluny, setze sie an den Mund und trinke. Sofort spucke ich das Zeug aus. Widerlich. Da ist irgendwas Festes drin. Brotstückchen oder Krümel? Es ist nichts zu sehen und beim Schütteln raschelt etwas in der Flasche. Eis. In der angebrochenen Flasche war das Wasser doch tatsächlich bereits weitgehend gefroren, während in der prall gefüllten Flasche noch kein Eis zu sehen war.
Am Vorabend gegen zehn Uhr kamen Daniela und Angus mit Danielas Eltern vom Flughafen. Für die beiden war es die vorerst letzte Reise nach Südafrika. Sie haben ihre alte Heimat verlassen, da sie sich erhoffen, in Frankreich ein angenehmeres Leben mit weniger Unsicherheit als im Land am Kap führen zu können. Vor einem halben Jahr haben Karen und Robert die Pension übernommen und werden diese jetzt gemeinsam mit den Kindern führen.
Am Morgen um kurz vor acht, ich bin gerade fertig mit meiner Morgentoilette, klopft es Sturm. „Oh my God!“ sagt Karen, „it is raining in the Kitchen“. Es regnet in der Küche? Ich komme schnell mit nach unten und tatsächlich, von der Decke tropft das Wasser wie im Urwald bei einem tropischen Regen. Zum Glück ist der Klempner bereits da und stellt das Wasser ab. Die ganze Küche steht unter Wasser und auch der Strom ist in einem Teil des Hauses ausgefallen. Im Speiseraum läuft aber die Kaffeemaschine und der Frühstückstisch ist gedeckt. In der Küche haben bereits die Aufräumarbeiten begonnen, werden aber für das Petit Dejeuner unterbrochen. Ich staune nicht schlecht über die Gelassenheit, mit der diese kleine Katastrophe hingenommen wird. Trotz Überschwemmung in der Küche und Stromausfall im halben Haus herrscht am Morgen fröhliche Heiterkeit.
Bei einem Blick nach draußen vergeht diese mir. Bei dem Wetter erscheint mir eine Wanderung lebensgefährlich. Auf den leicht verschneiten Wegen ist jede zugefrorene Pfütze unter einer dünnen Schneedecke versteckt und ich müsste permanent einen möglichen Weg ertasten. Abwarten und Tee bzw. Kaffee trinken. Ich mache ein paar Besorgungen „downtown“. Das sieht hier irgendwie merkwürdig aus. In dem gerade mal 1.000 Seelen zählenden Dorf gibt ein halb verfallenes Schloss, einige Geschäfte, eine Schule und sogar ein Krankenhaus. Die geschlossene Touristeninformation und zwei Banken nicht zu vergessen. Alle Häuser sind ohne Zwischenräume direkt aneinandergebaut, wie in einer größeren Stadt. Hier erinnert wenig an ein bäuerliches Dorf und es herrscht fast geschäftiges Treiben.
Bei meiner Rückkehr tropft nichts mehr von der Küchendecke, der große Herd ist von der Wand abgerückt und der Fußboden trocken. Beide Männer sind damit beschäftigt, in der Küche sowie im Kellerraum darunter alle Steck- und Verteilerdosen sowie Schalter trockenzulegen. Die Zeit vergeht und langsam taut es. Vielleicht kann ich ja heute doch noch weiterlaufen.
Während einer Teepause unterhalten wir uns wieder angeregt und ich fühle, wie gut es tut, sich mit freundlichen und interessanten Menschen richtig unterhalten zu können. Die ganze Familie ist früher mit dem eigenen Zirkus durch Südafrika und Namibia gezogen. Dann haben sie ein Restaurant/Café eröffnet und nutzten das große Zirkuszelt für Firmenveranstaltungen und Hochzeiten. Ich finde diese Flexibilität einfach faszinierend.