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(24) Eiseskälte und Schnee

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
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Mittwoch, 28. Februar 2018: Cluny – Tramayes (20,0 km)

Nach dem Frühstück bleibe ich noch eine Weile in meiner Pension, welche direkt am westlichen Ende des ehemaligen Langhauses der gigantischen Kathedrale liegt. Draußen waren es heute Morgen minus 13 Grad und am Kamin ist es deutlich angenehmer. Trotzdem muss ich mich irgendwann auf den Weg machen, auch wenn dieser heute nicht so weit ist; nach Tramayes sind es nur ca. 20 km. Erstaunlicherweise fühlt es sich nicht so kalt an, wie es das Thermometer vermuten lässt, es zeigt noch acht Grad minus.

Noch in Cluny geht es steil den Berg hoch, dann aber für ca. acht km weitgehend eben auf Feldwegen am Rande eines Waldes vorbei. Die Sonne ist inzwischen von Wolken verdeckt. Auf dem Weg muss ich immer wieder die manchmal großen und komplett vereisten Pfützen umgehen. Alles ist steinhart gefroren. Kurz vor Sainte-Cécile überquere ich eine Autobahn um im Ort vor einer geschlossenen Bäckerei zu stehen. Also verbringe ich die Pause windgeschützt im Bushäuschen und genieße mein Foie-Gras-Baguette aus Cluny. Es schmeckt köstlich. Habe außerdem noch ein Baguette mit frischen Tomaten und Ziegenkäse dabei. Es ist erstaunlich, was man mit den richtigen Zutaten aus einem schlichten Stangenweißbrot alles machen kann.

Nach dem Ort verläuft der Jakobsweg jetzt steil bergauf auf durch den Wald. Fast 400 Höhenmeter wollen überwunden werden. Mehrmals sehe ich am Rand des Weges ein Autowrack. Wie kommt das hierher? Sorry, Sebastian, aber ich glaube, eine Denaturierung und die Wiederherstellung der Fahrbereitschaft kommt bei diesen Oldtimern wohl zu teuer.

Hier oben bläst der kalte Wind wieder stärker und die Luft riecht nach Schnee. Es wird immer trüber und ich erkenne winzige Partikel, welche mit unbeschreiblicher Leichtigkeit durch die Luft tänzeln. Dann, ohne Vorwarnung sehe ich mich umringt von Bewaffneten. Schnell erkenne ich, dass es sich um echte Waffen handelt und diese geladen sind. Zu meinem Glück haben es diese Menschen nicht auf mich abgesehen, sondern auf Fuchs, Hase und Fasan. Ich frage, ob ich ungefährdet passieren kann und werde freundlich durchgewinkt. Wenig später zerreißt hinter mir ein Schuss wie Donnerhall die Stille. Ganz wohl fühle ich mich nicht und beschleunige meine Schritte als ein zweiter Schuss fällt. Wenig später wird die Jagd im Sinne des Wortes abgeblasen.

Aus den vereinzelten mikroskopischen Schneeteilchen sind inzwischen echte Schneeflocken geworden. Langsam bleiben die Kristalle auf Wiesen und Feldern liegen. Wie ein dünnes seidenes Tuch wird die Landschaft jetzt vom Schnee bedeckt. Bergab laufe ich nach Tramayes, meinem Ziel für heute entgegen. Die Grange Fleurie (Blumenscheune) liegt noch vor der Ortsmitte auf der linken Seite. Bei meinem Eintreffen fegt ein junger Mann von ca. 30 Jahren die Stufen vor dem Haus und begrüßt mich überaus freundlich: auf englisch. Er ist sichtlich erleichtert, als er feststellt, dass ich dieser Sprache mächtig bin. Der Südafrikaner ist erst seit zwei Monaten hier und noch nicht sehr vertraut mit der Landessprache.

Er und seine wenig jüngere Frau betreiben gemeinsam mit ihren Eltern, welche heute Abend aus der alten Heimat in Lyon ankommen und abgeholt werden wollen, die Pension. Es ist wundervoll hier. Der Eingangsbereich ist eine Halle, welche von zwei Kronleuchtern erhellt wird. Am Ende schließt sich der Aufenthalts- und Essbereich wie der Querbalken des Buchstaben T an. Hier stehen neben drei größeren Tischen mehrere gemütliche Ledersessel sowie eine Sitzecke am Kamin zur Verfügung. Der Ofen bullert und ich weiß bereits, wo ich heute Abend sitzen werde, nachdem ich den Rest des einen Sandwichs genossen habe.