Montag, 26. Februar 2018: Chagny – Le Thil 38,0 km)
Um kurz nach neun verlasse ich das kleine Hôtel de la Poste in Chagny. Nach dem Aufstehen habe ich meine Nase bereits zum Fenster rausgehalten und festgestellt, dass es kalt ist, minus sechs Grad zeigt das Thermometer. Schon im Ort ist es windig. Dafür gibt es auf meinem Weg hinaus auch keine geöffnete Bäckerei. Ich laufe unter den Bahnlinien hindurch, dann bergauf und überquere einen teilweise zugefrorenen, schiffbaren Kanal.
Nach gut drei Kilometern betrete ich einen verwunschenen Märchenwald. Der schmale, mit trockenem Laub bedeckte Pfad windet sich wie eine Schlange durch das geheimnisvolle Dickicht. Die dürren Sträucher und Laubbäume sind zentimeterdick mit leuchtend grünem Moos bewachsen und schließen sich teilweise über mir. So entsteht der Eindruck, durch einen natürlichen Tunnel zu laufen. In diesem Wald gibt es sicher auch Feen und Zwerge, aber nichts davon bekomme ich heute Morgen zu Gesicht.
Als ich aus dem Zauberwald heraustrete, befinde ich mich wieder in den Weinfeldern des Burgund. Wie die seidigen Fäden einer Spinne glänzen die straff über die Reben gespannten Rankdrähte silbrig im Gegenlicht der Sonne. Ich glaube nun auch das Geheimnis der Feuertonnen zu kennen. Auf diesen Gefährten entzünden die Weinbauern ein Feuer und verbrennen darin das trockene Schnittgut der Reben. Sie ersparen sich das Einsammeln und den Transport an eine zentrale Stelle und entsorgen so die abgeschnittenen Triebe direkt vor Ort. Später sehe ich, dass auch hier die moderne Technik Einzug gehalten hat. Ein zwei Rebenreihen überspannendes, Gefährt kriecht fauchend wie ein hungriger Drache über das Feld und frisst gierig die trockenen, auf der Erde liegenden, Triebe in sich hinein, nur um sie direkt, fein zerhäckselt, wieder auszuspucken.
In Mercurey finde ich tatsächlich eine winzige Bäckerei, deren Kundenfläche kleiner ist als die des Fußbodens meiner Küche in Freudenstadt. Bei vier Kunden gleichzeitig ist der Laden brechend voll. Es gibt einen ebenfalls mikroskopisch kleinen „grand café au lait“ aus einem Pappbecher mit aufgesetztem Schnabeltassendeckel aus Plastik. Aber der Kaffee tut trotzdem gut, und mit einem belegten Baguette im Rucksack mache ich mich wieder auf den Weg, welcher erneut bergauf führt, nur um dann wieder in ein Tal abzufallen. Schon wieder geht es steil nach oben, ein Bergrücken und 220 Höhenmeter wollen überwunden werden.