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Angler im Boot

(16) Ich bin dann wieder weg

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
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Dienstag, 20. Februar 2018: Marnay – Brans (20,9 km)

Nach der geplanten berufsbedingten Unterbrechung in Marnay bin ich nach sechs Tagen endlich wieder auf dem Weg. In Besançon habe ich übernachtet um von dort aus zur Mittagszeit mit dem Bus wieder in das Dorf am Ognon gefahren. Bei sehr angenehmem Wetter mit zeitweiligem Blick auf die Sonne breche ich hier zu einer kurzen Etappe auf.

In Marnay versuche ich nochmals, im Kloster Abbaye d’Acey anzurufen. Der freundliche Mönch spricht Deutsch und schlägt mir vor, nicht im Kloster sondern bei Privatleuten auf einem Bauernhof im sieben Kilometer weiter entfernten Brans zu übernachten. Er klärt das parallel zu unserem Gespräch mit den Gastgebern. Prima, so muss ich zwar heute weiterlaufen als geplant, habe dafür aber morgen keinen 30 km-Tag vor mir.

Von der Bushaltestelle aus laufe ich zunächst an der Straße dorfauswärts Richtung Westen. Nach dem Ort geht es auf einem Feldweg weiter zwischen Wiesen und Weiden. Erst am ehemaligen Bahnhof von Chenevrey stelle ich fest, dass ich mal wieder über einen ehemaligen Bahndamm laufe. Ich begegne zwei freundlichen jungen Damen hoch zu Ross. Die Pferde auf der Weide zur Linken werden bei dem Anblick deutlich nervöser als ich. In Morogne komme ich wieder an einem der in fast jedem kleinen Dorf zu findenden Brunnen vorbei. Dieser diente früher zugleich als Waschplatz des Dorfes.

Die Wiesen und Auen sind teilweise überschwemmt. Die kleinen Teiche wirken zur windstillen Mittagszeit wie blankpolierte Spiegel, welche das von der immer wieder durch die dünne Wolkendecke blinzelnden Sonne ausgesandte Licht wie Blitze vom Boden reflektieren. Später, die Luft ist wieder in Bewegung gekommen, erscheinen die Tümpel, deren Wasseroberfläche sich jetzt kräuselt, wie kleine glitzernde Seen aus Diamanten.

Nun geht es wieder durch den Wald. Auch hier ist der Weg gut zu gehen und Hose und Schuhe werden heute wohl weitgehend sauber bleiben. Als ich wieder auf die Felder hinaustrete, sehe ich das Zisterzienserkloster bereits rechts vor mir. Die Abbaye d’Acey ist eine der Keimzellen des Ordens und wurde vor fast 900 Jahren hier gegründet. Die Kirche ist bis auf die helle Holzbestuhlung fast gänzlich leer und verfügt außer einem Kruzifix über keinen weiteren Schmuck. Eine ganz besondere Stimmung und ich komme mir vor wie im Mittelalter. Das passt zum Hörbuch, das ich ab und zu höre: Die Säulen der Erde von Ken Follett.

Nachdem ich meinen Pilgerausweis von einem alten Mönch habe abstempeln lassen, geht es weiter zwischen Wiesen und Feldern hindurch nach Thervay und schließlich, nach einem kurzen Auf- und Abstieg nach Brans. Der ehemalige Bauernhof der Familie Mignon liegt am Ende des Ortes. Nach einer Erfrischung in Form eines kleinen kühlen Bieres beziehe ich mein mit drei bezogenen Einzelbetten ausgestattetes Zimmer. Auch hier bin ich der erste Pilger des Jahres.

Die Freundlichkeit und Herzlichkeit, mit der ich hier in Privathäusern immer wieder empfangen werde, freut und erstaunt mich. Obwohl mein Französisch in den vergangenen mehr als 30 Jahren sehr stark eingerostet ist, kann ich mich mit den Menschen verständigen und es gelingen teilweise sogar kleine Unterhaltungen. Claude versucht telefonisch, mir für den nächsten Tag ein Quartier in der Nähe des Mont Roland zu besorgen. Leider vergeblich: Eine Gastgeberin liegt mit Grippe im Bett und bei einem anderen potentiellen Wirt ist die Heizung komplett ausgefallen. Ich werde mich also morgen selber darum kümmern.