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Weg ohne Worte

(13) Gottverlassene Gegend

  • Frank Derricks
  • Kurzinformation, Projekt, Tagebuch
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Sonntag, 11. Februar 2018: Filain – Recologne-lès-Rioz (23,3 km)

Wie in fast jeder Nacht bin ich mehrmals wachgeworden aber auch immer wieder rasch eingeschlafen. Nach einem kleinen Frühstück mit Hefezopf, Marmelade und Käse verabschiede ich mich von den netten Schweizern und laufe bei leichtem Schneegriesel den gleichen Weg nach Filain, den ich auch gestern gekommen bin. Im Wald traf ich auf die erste Jagdgesellschaft des Tages. Hoffentlich halten die mich in meinen Schwarzen Klamotten nicht fälschlicherweise für einen Schwarzkittel. Nach einer glitschigen Walddurchquerung später erreiche ich den Ort Authoison.

Kein Wunder, dass die Gegend gottverlassen ist, hier ist ja sogar am Sonntag um halb elf die Kirche verschlossen. Auch hier ist es wieder ein Bushäuschen, das mir Schutz für eine kleine Rast bietet. Ansonsten nichts, auch keine Menschen auf den Straßen, selten mal ein Auto.

Schon wieder geht es recht steil bergauf und dann bergab durch den Wald. Das Gehen auf dem Untergrund kostet Nerven, Kraft, Konzentration und damit auch Zeit. Es grenzt an ein Wunder, dass ich mich nicht schon längst auf die Nase oder den Hintern gepackt habe.

In einer offenen Scheune finde ich zwischen großen Stroh- und Heuballen Schutz vor dem stärker werdenden Wind. In Hamburg habe ich gelernt, Sturm ist erst dann, wenn die Schafe keine Wolle mehr tragen. Da habe ich Glück, denn die gut 20 Schafe auf der Weide gegenüber laufen alle noch in ihrem Winterpelz herum, flüchten aber vor dem jetzt auch stärker werdenden Regen an den Waldrand. Ich packe mein Regencape aus und ringe bestimmt zehn Minuten mit dem Teil, um es irgendwie über mich und meinen Rucksack zu stülpen. Irgendwann habe ich es geschafft und gehe weiter. Wieder durch den Wald.

Weit vor mir höre ich einen Schuss. Da muss wohl noch eine Jagdgesellschaft sein. Jetzt brauche ich mir aber keine Sorgen um meine Sicherheit zu machen, denn das knallrote Regencape leuchtet kilometerweit. Das bemerken offensichtlich auch die drei Rehe, die ich nur circa 50 Meter von mir entfernt aufgescheucht habe. Vor Fondremand geht es wieder steil nach unten. Das Gehen erfordert höchste Aufmerksamkeit und ist beschwerlich. Einmal bleibt mein Stock so im Matsch stecken, dass ich das untere Teleskopteil komplett herausziehe.

Auch im mittelalterlichen Städtchen ist kein Mensch zu sehen und die Kirche verschlossen. In Ermangelung eines Bushäuschens oder irgendeiner anderen Unterstellmöglichkeit laufe ich weiter ins drei Kilometer entfernte Recologne-lès-Rioz. Hier lebt ein älteres Ehepaar, welches mich heute beherbergen wird; Yvonne Vetsch hatte gestern dort angerufen. Der Regen gefriert jetzt leicht, und im Gesicht fühlt es sich an wie ein Eispeeling. Soll ja gut für den Teint sein.

Gegen viertel vor Vier erreiche ich mein Etappenziel. Nach einer warmen Dusche relaxe ich noch ein wenig und gehe um halb acht zum Abendessen. Zunächst gibt es eine Gemüsesuppe, danach selbstgemachte Leberpastete mit Pistazien und dann Gulasch mit Nudeln. Zum Abschluss darf der Käse nicht fehlen. Das Ehepaar Travaillot gibt sich Mühe, langsam zu sprechen und so entwickelt sich tatsächlich eine kleine Unterhaltung. Um 20:30 Uhr verabschieden wir uns, Zeit für die Bettruhe.