Sonntag, 27. Mai 2018: A Rúa – Santiago de Compostela (21,3 km)
In der letzten Nacht gab es wie in der Nacht zuvor in der Nähe ein „Feuerwerk“. Nicht dass es ein funkelndes Lichtspektakel am Himmel gegeben hätte. Einfach nur in die Luft geschossene ohrenbetäubend laute Böller. Sonst nichts, aber das minutenlang. Der Lärm in diesem Land macht mir inzwischen echt zu schaffen. Irgendwann ist auch das vorüber, und ich schlafe wieder ein.
Die letzten Kilometer nach Santiago de Compostela liegen vor uns. Nach einem mäßigen, aber dafür auch teuren Frühstück brechen wir auf. Es ist wieder stark bewölkt, jedoch nicht kalt – die Jacke muss ich schon nach kurzer Zeit wieder ausziehen. Unsere Wege sind super zu laufen, auch die Gegend ist wie in den vergangenen Tagen auch. Vielleicht fehlt mir heute auch einfach der Blick für die Landschaft. Mal rieche ich wieder Hustenbonbons, dann blicke ich wieder auf grüne Hügel. Heute geht es nur noch darum, in Santiago de Compostela anzukommen.
Nach einer Kaffeepause in O Amenal geht es ein ganzes Stück bergauf bis auf die Höhe des Flughafens der Hauptstadt Galiciens. Auf diesem Weg durch den Wald muss ich einfach heulen. Mal geht mir vieles durch den Kopf, mal ist da nur noch Leere. Ein Glücksgefühl will sich einfach nicht einstellen. Ich kann es noch nicht ganz glauben, nun schon mehr als 2.400 Kilometer gelaufen zu sein. Was kommt, wenn wir Santiago und wenige Tage später Finisterre erreicht haben? Wie wird das „normale“ Leben sein? Werde ich nochmals hierherkommen? Alles Fragen, mit denen ich mich jetzt noch nicht beschäftigen möchte.
Nach dem Umrunden des nördlichen Endes der Start- und Landebahn des Luftbahnhofs geht es für circa fünf Kilometer wieder leicht bergab. Nach einer Mittagspause in Vilamaior kommt der letzte stärkere Aufstieg, an dessen Ende der „Monte do Gozo“, der Berg der Freude erreicht ist. Das unglaublich hässliche Denkmal beachten wir nicht weiter, aber von hier kann man die berühmte Kathedrale mit ihren drei barocken Türmen sehen. Bis zur Westfassade und dem davorliegenden Praza do Obradoiro sind es aber noch lange und hässliche fünftausend Meter. Wir überqueren die Autobahn, eine Bahnstrecke und eine mehrspurige Nationalstraße.